Die Stadt Sydney und die Regierung von New South Wales planten bereits seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts ein repräsentatives Opernhaus für die Stadt zu errichten. Aus einem weltweiten Architektenwettbewerb ging der Entwurf des dänischen Architekten Jørn Utzon als Sieger hervor. Obwohl Utzon nur grobe Skizzen einreichte und damit gegen die Wettbewerbsregeln verstieß, überzeugte sein kühner Entwurf der scheinbar mühelos stehenden "Segeldächer" die internationale Jury. Im Jahr 1959 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, obwohl noch kein einziger Plan der komplizierten Dächer erstellt war. Dieses immer wiederkehrende Phänomen der politisch gesteuerten Bautermine sollte wohl allen erfahrenen Ingenieuren bekannt vorkommen.
Es hatte sich nämlich, wie zu erwarten war, herausgestellt, dass die, für die damalige Zeit futuristische (und auch geniale) Konstruktion der Dächer weder statisch sicher zu berechnen, noch fertigungstechnisch herzustellen war. Es kam wie es kommen musste. Die Bauzeit verlängerte sich immer mehr, die Baukosten stiegen unkontrolliert immer weiter. Der Streit zwischen dem Bauherrn (Regierung von New South Wales) und dem Architekten eskalierte soweit, dass der Bauherr 1966 sämtliche Gelder sperrte und daraufhin Jørn Utzon im Zorn die Baustelle verließ und zurück nach Kopenhagen ging. Er hat seit diesem Tag zeitlebens nie wieder australischen Boden betreten und sein Meisterwerk nie persönlich im fertigen Zustand gesehen. Der kundige Ingenieur wird an diesem Punkt mit einem weisen Lächeln auf den Lippen nicken. Das ist wohl ein Grundgesetz des Bauwesens, dass weder die Baukosten, noch die Fertigstellungstermine, noch das Überleben der beteiligten Hauptakteure fixe Größen sind.
So war es dann auch ein Ingenieur, der dafür verantwortlich zeichnet, dass das immer noch geniale Bauwerk überhaupt fertig gestellt wurde. Der britisch-dänisch-norwegische Ingenieur Ove Arup hat mit seinem Team und einigen ebenso genialen Korrekturen an der Konstruktion für die Realisierbarkeit und die letztendliche Fertigstellung gesorgt. In einem späteren Interview mit der BBC hat er sich trotz aller Zerwürfnisse mit Utzon sehr lobend über eben jenen geäußert: "Er ist ein Genie mit all den Fehlern, die er mit sich bringt. Nur er kann das Opernhaus so vollenden, wie es vollendet werden sollte. Es spielt keine Rolle, ob Utzon im Recht ist; es spielt für ihn keine Rolle, ja nicht einmal für Sie oder irgendjemanden von uns – dieses Meisterwerk muss jedoch für die Menschheit erhalten werden.“
So wurde letztendlich das Opernhaus 1973 von Elisabeth II., acht Jahre nach dem geplanten Fertigstellungstermin festlich, aber ohne Beisein oder Erwähnung des Architekten eingeweiht. Die Baukosten haben sich von ursprünglich veranschlagten 3.5 Mio. Pfund auf 50 Mio. Pfund erhöht. Dafür steht nun äußerst präsent über dem Hafen von Sydney ein Bauwerk für die gefühlte Ewigkeit. Tja, Architekten haben Träume, aber Ingenieure lassen sie wahr werden.
Kommentar schreiben